Abteifriedhof

Digitaler Rundgang erschließt Friedhof und die Geschichte Verstorbener

Der Abteifriedhof informiert „unterwegs“ per Handy über Erfinder, Ordensschwestern, NS-Opfer und die Sozialgeschichte der Großstadt

Schon seit über tausend Jahren werden hier Menschen bestattet. In den Jahrhunderten hat sich jedoch viel getan, es gibt vieles zu entdecken. Im Netz kartiert und über QR-Codes abrufbar führt ein Elf-Stationen-Rundgang über den Friedhof. Den neuen Weg erstellten die Dortmunder Geschichtsmanufaktur und Mitarbeitende der Pfarrei mit Abt Albert, die auch mit dem Hamborner Geschichtsverein zusammenarbeiteten. Stationen für digitale Infos in Wort und Bild sind zum Beispiel die Kapelle für Weltkriegs-Tote mit dem Grab der Brauer-Familie König, das Denkmal für Gruben- und Hüttenwerksopfer, die Stätte für unbekannte Tote oder auch der 2023 fertiggestellte Mariengarten, Begräbnisort für zu früh oder im Mutterleib verstorbene Kinder.

„Unser Abteifriedhof ist ein Ort von Begräbnis, Abschied, Schmerz und Trauer“, sagt Pfarrer und Abt Albert Dölken von St. Johann. „Für uns Christen sollte er aber auch ein Ort der Hoffnung und Zuversicht sein“. Christen und Nichtchristen bedürften der Trauerarbeit. „Da ist es wichtig, Schönes zu sehen, zu erfahren und zu erleben.“ Bereichernd und wichtig ist für ihn die Natur auf dem Friedhof, Pflanzen, dazu neue Bänke, Orte der Ruhe sowie eine lebendige Tierwelt. „An der Verschönerung des Friedhofs arbeiten wir ständig. So können wir Menschen auch daran teilhaben lassen, was uns bewegt, wenn wir bestimmte Pflanzen im Mariengarten anpflanzen, an einer Gedenkstätte an die Opfer der Diktatur erinnern oder unbekannt Verstorbener gedenken. Sie fanden vielleicht nie ein würdiges Grab.“

 

In Bildern und Worten erzählt der elfteilige Pfad auch Hamborner Geschichte. Am Grabfeld der Clemensschwestern etwa berichtet die neue App parallel zu historischen Bildern die Geschichte der Krankenpflege seit 1873 im nahen Hospital, woanders die der Opfer von Gruben- oder Industrie-Unglücke. Wiederum an anderen Orten sind das Lebenswerk des Ingenieurs und Erfinders Franz Lenze oder Erinnerungen an ermordete Opfer des NS-Regimes Themen.

 

„Unser Friedhof war und ist auch Ort der Begegnung, des Ausspannens und unseres Glaubens an Auferstehung und Weiterleben nach dem Tod“, sagt Abt Albert. „Viel Wissen um Hamborn und um die Menschen, die hier begraben liegen, ist verloren gegangen. Der digitale Pfad informiert auch über eine beeindruckende Geschichte und über beeindruckende sowie vergessene Menschen.“

Mit den Friedhofs-Verantwortlichen schuf die Pfarrei auch inhaltliche Schwerpunkte und besondere Stätten auf dem großen und ummauerten Friedhof. Es entstand die Hummelwiese mit Urnengräbern und Stelen. Dort brummt es von Frühjahr bis Herbst: Denn besondere Pflanzen und Hecken locken die so wichtigen Insekten an, dazu Vögel, Kröten oder Igel. Menschen sollen hier nach ihrem Tod wie in Lebzeiten in der Gartenlamdschaft Heimat finden, erklärt die Friedhofs-App. Zum Besuch an den Urnen oder an Gräbern kommen Besuchende auch von außerhalb Duisburgs.

 



Den Abt freut, dass auch Schüler naher Schulen den Friedhof besuchen und gern nach alten Grabsteinen suchen. „Wir haben hier solche Steine und viel mehr“, stellt Abt Albert Dölken als Hamborner mit vielen Wurzeln hier fest. Auch Klassen können per App die Orts-, aber auch Sozial -und Industrie-Geschichte Hamborns und die des Klosters von 1136 erkunden.

Leben und Leid auf dem Friedhof verdeutlicht das 2023 fertig gewordene Feld „Mariengarten“. Eine der Pfarrei überlassene moderne Vulkanstein-Madonna von Joseph Krautwald erinnert an die Liebe junger Eltern zum Kind und ihr Leiden rund um den Tod zu früh verstorbener Babys. Rund um die Muttergottes mit dem kleinen Jesus zählt, ob Trost möglich wird. Schon biblisch erwähnte Blumen und ihre Symbolik erzählen von Leben, aber auch vom Vergehen.

Eine der elf Stationen, die überall mit den QR-Codes und ihren Namen auf Edelstahlplatten verzeichnet sind, ist auch die Station zu drei getöteten Opfern der NS-Diktatur. Besucherinnen und Besucher erfahren an der Station von Wilhelm Paul Kempa, Josef Lhotak und Wilhelm Frede. Alle stehen für die Menschenverachtung des Systems, die Grausamkeit der Diktatur, aber auch von Mut und gläubigem Bekenntnis. Die Urne des Malers und Fotografen Kempa wurde noch zur Hitler-Zeit heimlich auf dem Abteifriedhof beigesetzt. Der Diplomat Wilhelm Frede aus Meiderich unterstützte als gläubiger Katholik Verfolgte des Regimes und starb daher im KZ Sachsenhausen infolge von Misshandlungen. Josef Lhotak, 17-jähriger Meidericher, verweigert 1945 in den letzten Kriegstagen seine Teilnahme am Volkssturm. Der Grabstein des durch fünf Schüsse in Mund und Oberkörper Ermordeten wurde 2023 durch seine Verwandten auf den Abteifriedhof versetzt.

Über Allerheiligen hinaus hat der Friedhof eine menschliche Botschaft. Viele Christen und Nichtchristen sind überzeugt, dass Verbindungen zwischen Menschen nach dem Tod bleiben. Mit dieser Erinnerung und der an unbekannte Tote von Unglücken, Diktatur und Krieg ist die menschliche Botschaft zugleich politisch. „Es ist wichtig“, so die App am Ort der NS-Opfer, „die Menschen ins Bewusstsein der Bevölkerung zurückzuholen, die sich dem Terror und der Gewalt des Regimes widersetzt haben.“ Aus Überzeugung leisteten sie Widerstand und mussten das mit dem Leben bezahlen.

 

Widerstand für die Menschenwürde stiftet Frieden und mahnt sie auch in Diktaturen und Kriegen an. Das gilt besonders für Unschuldige aller Kriege weltweit.

 

Alle Stationen finden Sie unter https://abteifriedhof-hamborn.de/rundgang.